Zum Buch:
Im Jahr 1921 macht der britische Autor Sommerset Maugham zusammen mit seinem Sekretär und Geliebten Gerald eine Asienreise. Auf der malaysischen Insel Penang besuchen sie für längere Zeit Maughams Studienfreund Robert Hamlyn und dessen zwanzig Jahre jüngere Frau Lesley. Der erfolgsverwöhnte Schriftsteller steckt in einer Krise: Seine Frau, die sich durch seine langen Abwesenheiten vernachlässigt fühlt, droht ihm, den Kontakt zu seiner Tochter zu unterbinden, und Gerald sucht seine Vergnügungen zunehmend in zweifelhafter Gesellschaft. Maugham fühlt sich ausgebrannt und leer und befürchtet, nichts Bedeutendes mehr aufs Papier bringen zu können. Er hofft, auf dem direkt am Meer gelegenen Anwesen in der Gesellschaft von Freunden zur Ruhe zu kommen und zu seiner Arbeit zurückzufinden. Dann erhält er ein Telegramm von seinem Anwalt der ihm mitteilt, dass er durch die Fehlspekulationen einer Bank sein gesamtes Vermögen verloren hat – was er für sich behält.
Die Tage vergehen geruhsam: Man macht Ausflüge, schwimmt im Meer, und abends verschwindet Gerald in die Stadt, aus der er nachts pleite und verprügelt wieder zurückkehrt. Zwischen Maugham und der spröden Lesley, die in Malaysia geboren ist und, was ungewöhnlich ist, die Landessprache perfekt spricht, entsteht langsam ein gegenseitiges Interesse. Beide spüren, wie sehr sie unter den einengenden gesellschaftlichen Konventionen leiden, und Lesley beschließt, obwohl sie weiß, wie unbekümmert der Schriftsteller in seinen Werken Informationen verwendet, die er aus seiner Umgebung erhält, ihm eine zehn Jahre zurück liegende Episode aus ihrem Leben zu erzählen: von dem Besuch des charismatischen chinesischen Revolutionärs Sun Yat-sen und seinem Übersetzer Arthur sowie von ihrem zunehmenden Interesse an der Bewegung der Tongmenghui, deren Ziel es war, die chinesische Herrscherdynastie stürzen und eine republikanische Regierung in China zu errichten. Aber sie erzählt auch von dem Prozess gegen ihre Freundin Ethel, die angeklagt war, einen Mann erschossen zu haben, und von ihrer eigenen Affäre mit einem chinesischen Mann, aus der eine Liebe ohne Zukunft wurde. weil sie befürchten musste, als Ehebrecherin geächtet zu werden.
So verkürzt, wie die Handlung hier zwangsläufig wiedergegeben wird, klingt Das Haus der Türen wie ein konventioneller Gesellschaftsroman. Tatsächlich aber besticht der Roman durch eine komplexe Handlung und einen ausgefeilten Aufbau, mit dem unterschiedliche Themen geschickt verknüpft werden: Kolonialismus, Rassismus zwischen den Gruppen einer Vielvölkergesellschaft, Homosexualität, gesellschaftliche Doppelmoral. Der Autor treibt ein doppeltes Spiel: Einige der handelnden Personen sind der Realität entnommen, andere sind fiktional, Teile der Handlung haben wirklich stattgefunden, andere sind den Erzählungen von Maugham entlehnt und wieder anderes ist Fiktion. Ohne über die Zustände oder die handelnden Personen zu urteilen, in einer klaren, eleganten Sprache – vorzüglich übersetzt von Michaela Grabinger – entwirft Tan Twan Eng eine fesselnde Geschichte voller überraschender Wendungen und bietet damit zugleich ein scharfsichtiges Gesellschaftspanorama. Das sollte man unbedingt lesen!
Ruth Roebke, Frankfurt