Zum Buch:
Zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag bekam Adam Nicolson von seinem Vater ein äußerst ungewöhnliches Geschenk: The Shiants, ein kleiner Archipel zwischen dem schottischen Festland und den Äußeren Hebriden. Von einem rauen Meer umgeben und wenig fremden Einflüssen ausgesetzt, sind sie ein einzigartiges Habitat für Pflanzen, Meerestiere und vor allem hunderttausende Seevögel – aber leider auch für die größte Population von Hausratten in Schottland. Die drei Hauptinseln – über hundert Meter schroff aus dem Meer ragende Felsen – sind heute unbewohnt. Für den jungen Mann, der jedes Jahr längere Zeit dort verbringt, werden die Inseln zu einem Ort des Rückzugs, aber auch zu ganz besonderer Erfahrung der Freiheit und Verbundenheit mit der Natur. Kontakt hat er nur zu wenigen Menschen: zu seinem Pächter, dessen große Schafherde auf den Shiants weidet, einem Bootsbauer und wenigen Bewohnern anderer Inseln. Sie kennen die unberechenbaren Strömungen in The Minch, dem Teil der Schottischen See, in dem die Shiants liegen. Sie kennen das Wetter, die Winde und das Land, sie waren seine Lehrmeister und haben ihm ihr Wissen weitergegeben.
Seeraum ist im englischen Original bereits 2001 erschienen. Nicolson schreibt, dass er 2005 die Shiants an seinen Sohn weitergeben wolle. In den Jahren davor hat er den kleinen Archipel mit Hilfe von Geologen, Biologen und Archäologen erforscht. Sein Buch ist das Ergebnis dieser Arbeiten, aber es ist mitnichten ein wissenschaftlicher Forschungsbericht. Es erzählt die Geschichte der früheren Bewohner und ihres wechselvollen, nie leichten Lebens, erzählt Geschichten von alten Schätzen und von Geistern, von Schiffstragödien und Vertreibungen, von Einsiedlern und Eroberern, von Fischern und Schafzüchtern und von einem Leben, das nur in der Gemeinschaft zu meistern war. Nicolsons Sprache ist anschaulich und lebendig, seine Begeisterung für die Inseln spürt man bei der Lektüre – auch wenn er manchmal etwas zu detailverliebt ist.
Seine Rolle als englischer Landbesitzer, eine Figur, die auf den Hebriden immer noch verhasst ist, sieht er zwiespältig: Er weiß um das exklusive Privileg, Land zu besitzen, aber auch um die Verwundbarkeit dieses abgelegenen Ökosystems. Die Begehrlichkeiten von „Naturschützern“, die aus der Wildnis ein reguliertes „Vogelschutzgebiet“ machen wollen, sieht er mit Misstrauen. Deshalb hat er sich entschieden, die Shiants weiter im Privatbesitz zu belassen. Wen immer es in diese Gegend verschlägt: Besuche von Interessierten sind möglich. Auf der Website kann man sich dafür anmelden: https://www.shiantisles.net/visit.
Ein Minus ist leider anzumerken: Das Buch weist einige formale Nachlässigkeiten bei der Herstellung auf, die durch ein sorgfältiges Lektorat hätten vermieden werden können – schade!
Ruth Roebke, Frankfurt a.M.