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Die Schrecken der anderen

Autor
Clavadetscher, Martina

Die Schrecken der anderen

Untertitel
Roman
Beschreibung

Ein Berg, ein See, eine Winteridylle mit Schlittschuhläufern – und was macht Martina Clavadetscher daraus? Einen brandaktuellen Gesellschaftsroman, der durch einen aus dem Eis ragenden Fetzen Jeans auch noch zum Krimi wird. Doch um den Toten geht es nur am Rande.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
C.H.Beck, 2025
Seiten
333
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-406-83698-5
Preis
25,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Martina Clavadetscher geboren 1979, ist Schriftstellerin und Dramatikerin. Nach ihrem Studium der Deutschen Literatur, Linguistik und Philosophie arbeitete sie für diverse deutschsprachige Theater, war für den Heidelberger Stückemarkt nominiert und zu den Autorentheatertagen Berlin 2020 eingeladen. Für ihren Roman “Die Erfindung des Ungehorsams” wurde sie 2021 mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. Sie lebt in der Schweiz.

Zum Buch:

Ein Berg, ein See, eine Winteridylle mit Schlittschuhläufern – und was macht Martina Clavadetscher daraus? Einen brandaktuellen Gesellschaftsroman, der durch einen aus dem Eis ragenden Fetzen Jeans auch noch zum Krimi wird. Doch um den Toten geht es nur am Rande.

Das ermittelnde Team ist so skurril wie überzeugend: Da steht, in eine neonfarbene Skijacke gehüllt, ein stiller Archivar auf dem See, weil er von einem befreundeten Polizisten gebeten worden ist, bei der im Eis eingeschlossenen Leiche zu bleiben, bis der Bergungstrupp angekommen ist. Beobachtet wird das Geschehen von einer etwas exzentrisch wirkende Alten aus ihrem gelben Wohnwagen am Seeufer. Sie bringt dem dann doch irgendwann frierenden Mann einen Kaffee vorbei und die beiden kommen ins Gespräch. Beide werden Unfall oder gar Selbstmord – das offizielle Ermittlungsergebnis – für Schlamperei halten und haben für ihren Argwohn sehr verschiedene, aber durchaus gute Gründe.

Rosa, die Alte, und Schibig, der Archivar, sind beide am See aufgewachsen, kennen sich aber nicht. Schibig fühlt sich anfänglich als Instrumentarium dieser ein wenig verrückten Frau; es geht ihm aber auch gut in Rosas Nähe, von der – für ihn spürbar – „eine unfassbare Wärme“ ausgeht und der es mehr ums Suchen als ums Finden zu gehen scheint.

Wonach Rosa sucht, und zwar auf durchaus professionelle Weise, sind längst vergangene Verbrechen, über die Schibig auch etwas zu berichten weiß. Sie sucht nach rechtsextremen Strukturen, die im Naziregime ihre Wurzeln haben und wieder aufleben in diesen Tagen. Sie sucht nach den verbindenden Elementen und weiß, dass ihre Suche unabdingbar ist, um das Schlimmste zu verhindern, weil „niemand jemals etwas aus den Schrecken der anderen lernt.“

„Das ist kein Krimi“, lässt Clavadetscher eine ihrer Figuren sagen – eine Reminiszenz an René Magritte –, aber natürlich ist es für Leserinnen und Leser einer, ein sehr spannender dazu! Alle Figuren, die in dem Roman agieren, sind zudem Gefangene der Geschichte, die sie erlebt haben und die in die Gegenwart hineinreicht. Eine Geschichte, vor deren Wiederholung wir uns alle hüten müssen. Denn das ist der Punkt, an dem Clavadetschers Fiktion und die Welt, in der wir ihr Buch lesen, miteinander verbunden sind: Der mit Erstaunen, ja Grauen beobachtete erneute politische Rechtsruck in der Gesellschaft und die Frage, wie wir ihm begegnen können und müssen.

Susanne Rikl, München