Zum Buch:
Anthologien sind meist Spiegel ihrer Zeit. In ihnen finden sich die Texte, die gerade veröffentlicht wurden, einem Trend entsprechen oder/und nach bestimmten Kategorien geordnet sind. Die vorliegende Zusammenstellung bildet hier keine Ausnahme. Wenn die erste im deutschen Sprachraum erschienene Anthologie (1861!) von argentinischer Literatur den eher reaktionären Text La cautiva von Echeverría enthielt, der wie Reichardt schreibt, ideologisch die Ausrottung der einheimischen Urbevölkerung vorbereitet, so ist in der jetzt vorliegenden Sammlung ein Meisterwerk der engagierten Literatur (El matadero) vom gleichen Autor erstmals (!) übersetzt zu finden. Hier spiegelt sich also heute eine veränderte Einstellung zur Geschichte des Landes in einem Text, der 1839 entstand, allerdings erst 1871 veröffentlicht wurde. Die Lesereise führt dennoch, bezogen auf die behandelten Inhalte bis in die Anfänge der Staatsbildung Argentiniens, auch wenn die Texte nicht in dieser Frühzeit entstanden sind. Der Sammelband, der im übrigen auch Beispiele der bildenden Kunst enthält, wird von Michi Strausfeld kurz und informativ eingeleitet. Die Beiträge sind in drei Epochen gegliedert (Gründer-Generation, Klassiker und Zeitgenossen). Unnötig zu sagen, daß hier alles versammelt ist, was Rang und Namen hat (außer Borges aber auch dessen Fehlen wird plausibel begründet). Und dennoch und darin liegt auch der besondere Wert der Anthologie es sind mehrheitlich nicht schon bekannte und immer wieder abgedruckte Texte, sondern viel Unbekanntes von Bekannten. Lassen Sie sich überraschen!
Klaus Küpper (Bücher zu Lateinamerika)