Zum Buch:
In der überarbeiteten und erweiterten Fassung seiner Dissertation untersucht der argentinische Soziologe Pablo Alabarces die gesellschaftliche Rolle und Wahrnehmung des Fußballs in der argentinischen Geschichte von der Formierung der Republik in den zwanziger Jahren, über den Peronismus in den Vierzigern und Fünfzigern, die Krise des Entwicklungsmodells in den Sechzigern, die letzten Militärdiktatur und die von ökonomischen Krisen geprägten achtziger und neunziger Jahre. Ihn interessiert dabei das jeweilige Verhältnis der BürgerInnen zum Staat und wie es sich in der Rezeption unterschiedlicher fußballerischer Ereignisse in den Medien reproduzierte. Bis in die fünfziger Jahre gab es das politische Projekt, staatliche Aufgaben auszubauen und die BürgerInnen daran partizipieren zu lassen. Seit den Sechzigern und vor allem mit der letzten Militärdiktatur und der Regierungszeit Carlos Menems (1988-98) kehrte sich diese Tendenz um und immer mehr ArgentinierInnen wurden von staatlichen Leistungen ausgegrenzt. Je weniger der Staat für die Einzelnen als Garant sozialer Sicherheiten fungierte, umso mehr wurde von den Fußballfans ein aggressiver Nationalismus zelebriert. Der bleibt allerdings Geste, denn der Fußball kann vielleicht ein kurzfristiges Identitätsgefühl vermitteln, aber niemals medizinische Versorgung, Bildung und soziale Sicherheit garantieren. Dies bleibt eine politische Aufgabe. Ein höchst intelligentes und anregendes Buch, in dem es auch um Fußball geht (das Kapitel über den Mythos Maradona ist grandios!). Allerdings ist es keine leichte Kost, die Lektüre verlangt den LeserInnen einiges ab.
Gert Eisenbürger (Bücher zu Lateinamerika)