Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Stephan, Carmen

Mal Aria

Untertitel
Roman
Beschreibung

Für Carmen und ihren Freund Carl soll die Fahrt in den Regenwald der krönende Abschluss ihrer Brasilienreise werden. Irgendwann landet eine Anophelesmücke unbemerkt auf dem Hals der jungen Frau und sticht zu. Nun sind die beiden „Blutsschwestern“, und es ist die Mücke, gefangen im Kreislauf der Malaria, die Carmens Reise in den Tod beobachtet, es ist ihre Stimme, die wir hören.

Carmen Stephan ist mit ihrem Romanerstling „Mal Aria“ ein ungewöhnliches, faszinierendes Buch von großer sprachlicher Schönheit gelungen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
S.Fischer Verlag, 2013
Format
Taschenbuch
Seiten
208 Seiten
ISBN/EAN
9783596195251
Preis
9,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Carmen Stephan, geb. im August 1974, wohnt in München. Sie lebte als Autorin in Rio de Janeiro.

Zum Buch:

Ein junges Paar aus Deutschland reist zum Abschluss eines Brasilienaufenthalts in den Regenwald. Irgendwann auf dieser Reise landet eine Anophelesmücke unbemerkt auf dem Hals der Frau und sticht zu. Mit jedem Tropfen Blut, den sie in sich hineinsaugt, pumpt sie die todbringenden Geißeln der Malaria in deren Körper. Aber es geschieht noch etwas anderes: mit jedem Tropfen Blut wird die Mücke auch zur „Blutsschwester“ ihres Opfers. Sie hat Zugang zu deren Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen. In sich trägt sie das Wissen ihrer Art und der Krankheit, die sie überträgt, das Wissen darum, selbst im Kreislauf der Seuche gefangen zu sein. Sie benötigt das Blut der Menschen, um ihren Nachkommen das Überleben zu sichern. Dem Menschen bringt sie damit das Verderben.

Die Mücke lässt Carmen keine Minute der letzten Tage, die diese noch leben wird, aus den Augen. Sie beobachtet, registriert alles, was geschieht – oder besser, was unterlassen wird. Wieder in Rio gelandet, bricht Carmen mit Fieber zusammen. Was folgt, ist ein Alptraum. Einmal im Räderwerk der Medizin gelandet, schwindet die Hoffnung auf Genesung mit jedem Tag mehr. Die Ärzte sehen das, was sie zu erkennen glauben und was in Rio üblich ist: Dengue-Fieber, und das behandeln sie – ohne Erfolg. Was trotzdem keinen an der Richtigkeit der Diagnose zweifeln lässt. Denn was für Afrika gilt – “es ist so lange Malaria, bis alles andere ausgeschlossen ist” –, kennt in Brasilien, wo diese Krankheit eher selten vorkommt, niemand. Und so rast der Zug auf dem Gleis, auf dem niemand nach rechts oder links sieht, unaufhaltsam dem Ende entgegen – dem Tod.

„Mal Aria“ ist ein ganz ungewöhnlicher Roman. Eine Reflektion über menschliches Leben und Sterben. Ein dunkler Gesang von der unbändigen, gleichgültigen Kraft der Natur und der Ohnmacht des Menschen, der sich außerhalb ihrer wähnt und meint, sie zu beherrschen. Dessen „Wissen“ ihn zu unflexibel macht, um ihre Zeichen zu lesen und sich ihr anzupassen. An einer Stelle heißt es: „Ihr wandelt nur noch die Dinge außerhalb, ihr wandelt euch nicht mehr innerlich, ihr entwickelt euer Wesen nicht mehr. Euer Gehirn hat sich seit hunderttausend Jahren nicht verändert.“

Mein anfängliches Misstrauen gegen eine derart konstruierte Geschichte habe ich schnell vergessen. Die ungewöhnliche Erzählperspektive wirkt in keinem Moment gewollt oder gar effekthascherisch. Im Gegenteil, nach einigen Seiten war ich dem Sog des Textes und der ungewöhnlich klaren Sprache verfallen, beglückt darüber, wie es Literatur immer wieder gelingen kann, etwas Grausiges in etwas so Schönes zu verwandeln.

Ruth Roebke. autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt