Zum Buch:
Leichtigkeit ist ein Begriff, der seit eh und je mit Milan Kundera und seinem Werk verbunden wird. Nun hat der Autor ihm ein ganz besonderes Denkmal gesetzt. Mit seinem nun auf Deutsch erschienenen Roman „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“ schließt er nicht nur an sein vorangehendes belletristisches Werk an, sondern auch an seine eng damit verbundene essayistische Auseinandersetzung mit dem europäischen Roman und der Freiheit des Romanciers.
Der Leser nimmt Teil an einer großen Nabelschau. Sechs Herren in Paris unterhalten sich, sinnieren und schwelgen auf einem Spaziergang durch den Park, auf einer Cocktailparty oder in einem Appartement in Phantasmagorien und Erinnerungen – mal untereinander, mal mit dem Leser, mal nur mit sich selbst.Der Leser lernt die unterschiedlichen Verführungsstrategien von D’Argelo und Quaquelique kennen, hört Alain, den der Gedanke an seine Mutter nicht loslässt und der nun über den Bauchnabel grübelt, erfährt von Ramons Zögern, hört Charles‘ Anekdoten, die ihn nach Sowjetrussland führen, und die geheimnisvolle Sprache des arbeitslosen Schauspielers Caliban.
Kundera siedelt das Erhabene des Lebens direkt neben dem Grotesken, Körperlichen an. Ramon kann die Chagall-Ausstellung im Pariser Musée du Luxembourg nur sehen, wenn er die unfassbar lange Schlange voyeuristischer Besucher in Kauf nimmt; das Alter bringt Größe, aber auch allerhand Unappetitliches; auch ein sehr teures Getränk wird in einer Glasflasche aufbewahrt, die zerbrechen kann; ein Witz an sich mag harmlos sein. Was aber passiert, wenn Stalin es ist, der ihn erzählt?
Die Bagatelle, in der Handlung auf ein Minimum reduziert wird, wird von Kundera immer wieder in seine Texte aufgenommen und nun, in „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“, als die eigentliche Kunst gepriesen.Um Frauen zu verführen, so erfährt zum Beispiel Charles von Ramon, schade Brillanz nur, während Bedeutungslosigkeit zweifellos zum Erfolg führe. Analog dazu beweist Caliban, dass eine Sprache ohne Bedeutung unter Umständen große Wirkung haben kann. So durchzieht die Frage nach dem Sinn einer Unterscheidung des Reinen, Großen vom Grotesken, Schleimigen im Angesicht des Todes den Roman und macht auch vor dem Leser nicht halt.
Durch seine dialogische Struktur gibt der Roman den Figuren ohne zensierende Erzählereingriffe die Freiheit, ihre Gedanken und Empfindungen zu äußern und sich einen Reim auf dieses manchmal so wunderbare und dann wieder so erbärmliche Leben und all das Langweilige dazwischen zu machen.
Und was bleibt nach diesem „Fest der Bedeutungslosigkeit“? Wohl in erster Linie die Freude darüber, dass es die Literatur gibt, die das Große dem Kleinen direkt an die Seite stellen kann, Widerspruch, Komplexität und verblüffende Einfachheit ästhetisch auszudrücken vermag und uns vor allem die Möglichkeit gibt, Leichtigkeit zu üben.
Alena Heinritz, Mainz