Zum Buch:
Ein winziges Haus im Betonpfeiler einer Autobahnbrücke, einschließlich Balkon, Hausnummer, Briefkastenschlitz, Fußmatte und Klofenster. Ein Büro in einem Fußballtor. Der Papierkorb ist gefüllt. Der Kalender hängt gerade. Die Yuccapalme wächst neben der Schrankwand mit den Leitzordnern. Ein Ein-Mann-Stammtisch. Ein einzelner Bierkrug, ein Aschenbecher, und an der Wand hängt die Tafel, auf der in Kreide geschrieben steht: Heute Wildgulasch Hubertus mit Rotkohl und Knödeln, 13,50. Ein Zebrastreifen als aufgerichteter Monolith. Ein Discounter für Bestattungen (Super-Schnäppchen: 15 Bestattungen zum Preis von 10!). Ein Ein-Zimmer-Apartment im Schrank, mitsamt Bett, WC, Waschbecken, gefülltem Bücherregal und Kochnische. Ein Treppenlift, der durchs Fenster und dann wer weiß wohin führt.
Frank Kunerts Welten sind sehr klein, um nicht zu sagen: winzig. Doch leben sie gerade durch die Liebe zum Detail, die der Fotograf und „Bastler“ Kunert mit einer Versessenheit pflegt, die man schlichtweg nur bewundern kann. Sie sind durchweg geprägt von einem tiefen Verständnis unserer Zeit – mitsamt der Absurdität und dem daraus resultierenden Witz, der noch im Alltäglichsten zu finden ist, wenn man nur das Augenmerk dafür bewahrt hat. Und diese Gabe scheint Frank Kunert ins Blut übergegangen zu sein. Wie bereits in den beiden Vorgängerbänden Verkehrte Welt und Wunderland lässt er nichts unversucht, uns einen Einblick in seine Sichtweise der Dinge zu verschaffen. Zwar en miniature, dafür aber mit enorm großer Wirkung und dem entsprechenden Nachhall.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln