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Autor
Wehler, Hans-Ulrich

Land ohne Unterschichten?

Untertitel
Neue Essays zur deutschen Geschichte
Beschreibung

Von den Unterschichten in der Bundesrepublik, deren Existenz allzu gern bestritten wird, bis zum heftig umstrittenen EU-Beitritt der Türkei, vom Nationalismus als radikaler Mobilisierungsideologie bis zu den lange tabuisierten Opfererfahrungen der Deutschen reicht das Spektrum dieser neuen Essays von Hans-Ulrich Wehler. Der Bielefelder Historiker, der unlängst selbst mit dem fünften und abschließenden Band seiner großen “Deutschen Gesellschaftsgeschichte” eine Kontroverse ausgelöst hat (bsr 1915: Bundesrepublik und DDR. Hans-Ulrich Wehlers “Deutsche Gesellschaftsgeschichte” in der Debatte), demonstriert in diesem Band einmal mehr seine besondere Begabung, die Rolle des Wissenschaftlers mit der des tagespolitisch engagierten Publizisten zu verbinden.
(Klappentext)

Verlag
Beck Verlag, 2010
Format
Taschenbuch
Seiten
288 Seiten
ISBN/EAN
978-3-406-58588-3
Preis
14,95 EUR

Zum Buch:

Im nächsten Jahr wird Hans-Ulrich Wehler 80 Jahre alt. Eben ist ein Band mit kleineren Aufsätzen, Essays und Rezensionen erschienen. Man staunt, wie der Autor auch dieses Feld bestellt, neben seiner Arbeit an der monumentalen fünfbändigen „Deutschen Gesellschaftsgeschichte“. Der neue Sammelband  enthält 30 Texte sowie den Abdruck von Wehlers Beiträgen zur FAZ-online-Debatte über den letzten Band der „Gesellschaftsgeschichte“.

Die Texte sind in vier thematische Blöcke gegliedert und umfassen die politische Kultur, das Problem des Nationalismus, methodische Fragen der Geschichtsschreibung sowie Rezensionen. – Der erste Themenblock zur politischen Kultur versammelt Texte, die man auch als politische Interventionen des Wissenschaftlers bezeichnen könnte. Wehler hat sich immer ins politische Handgemenge eingemischt, weil er die historisch-politische Aufklärung des Publikums durch Historiker für selbstverständlich hält. Von konservativen Kollegen hat ihm das den rüden Anwurf eingetragen, er sei ein neuer Treitschke, als ob Wehler ein deutsch-nationaler Tambourmajor wäre wie der wilhelminische Einpeitscher.  2006 kam ein bizarrer Streit  darüber auf, ob es in der deutschen Gesellschaft eine Unterschicht gebe. Alle Parteien waren der Meinung, Unterschichten existierten in der BRD nicht, – außer die Linke, was allerdings nicht gerade für ihre Befangenheit im „Steinzeitmarxismus“ (Wehler) spricht. Wehler griff mit einem Essay in die Debatte ein und rechnete den übrigen Parteien vor, dass die „nivellierte Mittelstandgesellschaft“ nichts weiter als ein CDU-SPD-FDP-Selbstbetrug sei. Die Disparitäten zwischen oben und unten, Armen und Reichen, in die Kultur Einbezogenen und davon Ausgeschlossenen sind nicht kleiner, sondern größer geworden. „Egalitäre Transferpolitik“, wie sie alle Parteien beanspruchen und wie sie konservative Ideologen von Hans-Olaf Henkel bis Peter Sloterdijk als Teufel an die Wand malen, ist ein Phantom. Im zweiten Themenblock beschäftigt sich Wehler mit der Entwicklung des Nationalismus. Der brachte es in Deutschland von einer Intellektuellendoktrin um 1810 mit 1000 bis 1200 Anhängern zu einer national-demokratisch-sozialen Bewegung von unten im Vormärz, die allerdings in der Revolution von 1848 unterlag, von Bismarcks Einigungspolitik von oben abgelöst wurde und nach 1870/71 in die homogenisierende Politik des Reichsnationalismus mündete. Im Abschnitt über methodische Fragen belegt Wehler, dass sich die sozialwissenschaftlich fundierte Gesellschaftsgeschichte nicht zu verstecken braucht vor dem „modischen Anspruch auf Überlegenheit der literarischen Erzählung“  oder vor der prätentiösen „neuen Kulturgeschichte“ in der Geschichtswissenschaft.- Der Sammelband  bietet historische Aufklärung für jeden historisch-politisch Interessierten auf hohem Niveau. Rudolf Walther, Frankfurt am Main