Zum Buch:
Die Erde ist der Drachen, der den Menschen ausgespien hat und der diesen wieder zu sich zurück holen wird.
In seinem neuen Roman „Drach“ erzählt der polnische Autor Szczepan Twardoch die Geschichte einer niederschlesischen Familie, die mit der Rückkehr Josef Mangors aus dem ersten Weltkrieg beginnt und – drei Generationen später – mit seinem Urenkel Nikodem, einem gefeierten Architekten, der alles verlieren wird, im heutigen Polen endet. Das Besondere an dieser Chronik des 20. Jahrhunderts ist die Tatsache, das die Geschichte von der Erde selbst geschildert wird, einer auktorialen Erzählerin, die alles weiß. Alles, was gesprochen oder jemals gedacht wurde, alles, was war und was ist, und das ohne jeglichen Anteil daran zu nehmen, denn aus der Sicht der Erde – und sie wird nicht müde, das zu betonen – hat nichts, aber auch rein gar nichts eine Bedeutung; und doch ist alles von Bedeutung.
„Drach“ ist sicherlich keine leichte Kost, obgleich das Personal recht überschaubar ist. Der Autor hat es sich, und damit dem Leser, nicht eben leicht gemacht, indem er in einem Kapitel, ja, in einem einzigen Absatz den linearen Erzählstrang verlässt und (nur) scheinbar wahllos in der Zeit vor oder zurück springt. Das ist eine große Kunst, die Twardoch meisterhaft beherrscht, und gleichzeitig verleiht sie dem Roman eine absolut persönliche, unverwechselbare Note. „Drach“ ist ganz ohne Zweifel ein außergewöhnliches Literaturereignis.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln