Zum Buch:
In der turbulenten Vorweihnachtszeit konnte man das eine oder andere schöne Buch schon mal übersehen. Weil es bei dem hier empfohlenen Fotoband, der viel mehr ist als das, ganz besonders schade wäre, wenn man ihn verpasst, findet er einen Platz im ersten Kommbuch-Update des neuen Jahres.
Der in Köln lebende Autor und Fotograf Axel Vits legt mit The Copy of Life eine Art Mosaik aus Texten und wunderbaren Schwarzweißfotografien vor, die auf vielen Reisen entstanden sind.
Das Besondere dieser Bilder ist unter anderem, dass ihr Fotograf einerseits überraschende Details sichtbar macht und andererseits dem Betrachter Weite eröffnet. Nichts ist inszeniert, kein Detail geschönt, es geht um eine Art kompromissloser Authentizität des Moments.
Die Fototafeln sind in mehrere Abschnitte unterteilt, und schon die Titel „Hooge“, „Life“ oder „Srinagar, Kaschmir“ verweisen nicht nur auf eine enorme geografische Diversität, sondern auch auf ihre thematische Vielfalt.
Im Kapitel „Ship Ashore“ zum Beispiel finden sich beeindruckende Bilder von alten Schiffen, die Stolz und Schönheit ausstrahlen und den Reiz des Vergänglichen sichtbar machen. Jedes Foto erzählt eine ganze Geschichte: die Verwitterung der Schiffskörper in Farbe und Material, brachliegende Boote, die ihres Elements beraubt sind und erst nach Rückkehr der Flut wieder frei und beweglich sein werden, in dem Wissen, dass auch dieser Zustand nur vorübergehend sein wird. Jedes Kapitel ist eine Entdeckung für sich.
Axel Vits ermutigt mit den bewusst unbearbeitet gehaltenen Fotografien dazu, in der Unvollkommenheit das tatsächliche Ausmaß des Augenblicks zu ermessen. Das ist ungewöhnlich und berührend in einer Zeit, in der Hochglanzbilder, Bildschirmkontraste und visuelle Perfektion unsere Sehgewohnheiten bestimmen.
Doch The Copy of Life ist eben nicht nur Bildband sondern auch eine feine Sammlung essayistischer Texte mit einem ersten Kapitel des in Entstehung begriffenen Romans Südfall von Axel Vits. So authentisch und direkt wie seine Fotos sind auch die ausgereiften Texte mit ihrer glasklaren Sprache. Gerne folgt man den anregenden Gedanken eines weitgereisten Menschen, der sich mit der Entstehung von Erinnerungen beschäftigt und dessen Interessen als Autor und Fotograf meist den Außenseitern gilt. Das hier empfohlene Buch ist wie ein kleines, aber kostbares Kaleidoskop, das durch das einfallende Licht beim Lesen und Betrachten vielleicht auch eigene Erinnerungen auf neue Weise bricht.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt