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Über Liebe und Magie – I Put a Spell on You

Autor
Burnside, John

Über Liebe und Magie – I Put a Spell on You

Untertitel
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
Beschreibung

John Burnside hat mit Lügen über meinen Vater und Wie alle anderen zwei autofiktionale Bücher geschrieben, die in ihrer dunklen Wucht und der ungeschönten physischen und psychischen Grausamkeit die Quellen seiner Romane und Gedichte aufdecken: Angst und Einsamkeit eines von einem gewalttätigen Vater tyrannisierten Kindes, gepaart mit einer hochsensiblen Wahrnehmung für Menschen, Stimmungen und Landschaften. In Über Liebe und Magie – I put a Spell on You spürt er der Kraft nach, die letztlich alles beinhaltet, wovon er schreibt, gleich ob es die hellsten oder dunkelsten Seiten des Menschen sind: Liebe.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Penguin Verlag, 2019
Seiten
288
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-328-60089-3
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

John Burnside, geboren 1955 in Schottland, ist einer der profiliertesten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. Der Lyriker und Romancier wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Corine-Belletristikpreis des ZEIT-Verlags, dem Petrarca-Preis und dem Spycher-Literaturpreis. Sein Prosawerk erscheint auf Deutsch seit vielen Jahren im Knaus und im Penguin Verlag, für den er zuletzt auch die Lyrikanthologie »Natur!« komponierte.

Zum Buch:

John Burnside hat mit Lügen über meinen Vater und Wie alle anderen zwei autofiktionale Bücher geschrieben, die in ihrer dunklen Wucht und der ungeschönten physischen und psychischen Grausamkeit die Quellen seiner Romane und Gedichte aufdecken: Angst und Einsamkeit eines von einem gewalttätigen Vater tyrannisierten Kindes, gepaart mit einer hochsensiblen Wahrnehmung für Menschen, Stimmungen und Landschaften. In Über Liebe und Magie – I put a Spell on You spürt er der Kraft nach, die letztlich alles beinhaltet, wovon er schreibt, gleich ob es die hellsten oder dunkelsten Seiten des Menschen sind: Liebe. Er umkreist das Thema reflektierend und erinnernd. Für ihn ist es untrennbar mit Musik verbunden – mit den Schlagern aus der Zeit seiner Jugend, die seine Mutter trällert, mit der aufkommenden Pop-Musik und am rohesten und direktesten mit „Schwarzer Musik“.

Als Kind ist Burnside in seine zehn Jahre ältere Cousine Madeleine verliebt. Bei ihr hört er zum ersten mal Nina Simone mit „I put a Spell on You“ und ist überwältigt. Erst später wird der entdecken, dass der Urheber dieses Songs ein ziemlich durchgeknallter schwarzer Sänger namens Screemin’ Jay Hawkins ist, der den Voodoo-Aspekt des Banns besingt, der über einen anderen gelegt wird, und ihm wird bewusst, warum die Liedzeile „because your mine“ genauso viel Anziehung wie Angst erzeugt.

Aufgewachsen in ärmlichsten Verhältnissen, hat Burnside früh – zuerst in der Ehe der Eltern – erlebt, welche Verwüstungen Armut und Ungerechtigkeit in der Seele des Menschen anrichten, Verwüstungen, die sich zum Teil auch er in seinem Inneren wiederfinden: die Unfähigkeit zu dauerhaften Bindungen und die Nähe zu Alkohol und Drogen. Die Ambivalenz von Sehnsucht und Furcht prägt sein Leben, sie lässt ihn schließlich davor zurückschrecken, sich auf seine erste tiefe Liebe zu Christina, einer jungen Amerikanerin, einzulassen. Zwanghaft treibt er das Spiel von Annäherung und Verweigerung so lange, bis der Kontakt abbricht. Das Bedauern darüber hält sein Leben lang an, zeigt ihm aber auch, wie tief sein Misstrauen gegenüber der „Normalität“ eines Lebens mit Frau und Kindern ist. Was folgt, ist ein psychischer Absturz, der ihn in eine Anstalt bringt und aus dem er sich nur mit Hilfe seines literarischen Schaffens rettet.

Liebe ist und bleibt für ihn eng mit Magie verknüpft, mit dunkler Verzauberung. Dem spürt er in seinen persönlichen Erinnerungen aber auch dort nach, wo er sie in anderen Personen, in der Kunst und der Musik findet. Die Popsongs seiner Jugend und die Schlager seiner Mutter handelten fast ausschließlich von „romantischer Liebe“, die im Widerspruch zur Realität seiner Umgebung und den eigenen Erfahrungen steht. Ihn fasziniert, was sich unterhalb der glatten Oberflächen bewegt – außergewöhnliche Menschen, schwarze Musik, Außenseiterkunst. Er scheibt über den Song „I put a Spell on You“ und Screamin’ Jay Hawkins, er schreibt über Diane Arbus und ihre „Freak-Bilder“, er schreibt über Filme, über Landschaften, über Drogen und in all dem immer wieder über die Liebe – oder ihre Abwesenheit. Zwei nicht alltägliche Eigenschaften sind ihm dabei wichtig: „thrawn“ und „Glamourie“, beides altmodische Bezeichnungen aus der schottischen Sprache. Thrawn steht für Ungezähmtheit, Verschrobenheit, Glamourie – das für ihn nichts mit „Glamour“ zu tun hat – für das Leuchten, die Magie, die einen Menschen umgeben kann

I put a Spell on You ist, wie sein Gegenstand auf keinen Nenner zu bringen. Das Buch ist in viele Abschnitte unterschiedlicher Länge gegliedert, in einzelne Kapitel, sieben „Abschweifungen“, zwei „Zwischenspiele“, ein „Nachspiel“ und eine „Coda“. Der Text springt zwischen unterschiedlichen Zeiten und Themen, im Zentrum aber stehen: Liebe und Magie. Burnsides federleichte, gleißend helle, erbarmungslos analysierende Sprache ist ein Wunder, und er wirft (nicht nur) mit diesem Buch einen Bann über den Leser, der diesen so schnell nicht los lässt.

Ruth Roebke, Bochum