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Das Schlangenmaul

Autor
Fauser, Jörg

Das Schlangenmaul

Untertitel
Roman
Beschreibung

Heinz Harder ist erstmal unfassbar cool. Als abgehalfterter Ex-Boulevardjournalist ermittelt er sich kettenrauchend quer durch die Milieus im Berlin der Achtziger. Lässige Sprüche, harte Drinks und hin und wieder ein ordentliches Glas Milch – weil‘s gehaltvoller als Kaffee ist. Ein unnahbarer Einzelkämpfer, dem nichts Allzumenschliches fremd ist.

Das Schlangenmaul ist ein schnoddriger BRD-Noir, der nach Mauer-Beton, Wodka auf Eis und zahllosen Kippen riecht, der eine wilde Reise durch das Berlin der Achtziger ist und jedem wärmstens ans Herz gelegt sei.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Diogenes Verlag, 2019
Seiten
384
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-257-07036-1
Preis
24,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Jörg Fauser wurde 1944 bei Frankfurt am Main geboren. Nach Abitur und abgebrochenem Studium lebte er längere Zeit in Istanbul und London. Er arbeitete u.a. als Aushilfsangestellter, Flughafenarbeiter, Nachtwächter. Ab 1974 widmete er sich hauptberuflich dem Schreiben. Seine Romane, Gedichte, Reportagen und Erzählungen sind eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Literatur. Jörg Fauser verunglückte 1987 in der Nacht nach seinem Geburtstag tödlich bei München auf der Autobahn.

Zum Buch:

Heinz Harder ist erstmal unfassbar cool. Als abgehalfterter Ex-Boulevardjournalist ermittelt er sich kettenrauchend quer durch die Milieus des Berlin der Achtziger. Lässige Sprüche, harte Drinks und hin und wieder ein ordentliches Glas Milch – weils gehaltvoller als Kaffee ist. Ein unnahbarer Einzelkämpfer, dem nichts allzu menschliches fremd ist „Gute alte Menschheit, dachte ich, aus Macken mach Mäuse.“, ein hervorragend vernetzter Überlebenskünstler auf dem Weg zum Leberschaden mit einem guten Riecher und einem schnellen Kopf.

Harders Mission: Die Ex eines windigen Hannoveraner Politikers, vermisst ihre achtzehnjährige Tochter. Schuld kann nur der mittlerweile abgewrackte Exmann sein, also engagiert die immer leicht bedröhnte und ziemlich undurchsichtige Jungfer den ebenfalls immer leicht betrunkenen Harder, der seinerseits in schweren finanziellen Nöten steckt – der Fiskus verlangt eine Steuernachzahlung in Höhe von 51.374,74 DM, erste Anzahlung innerhalb von einer Woche. Schuld daran kann nur die Ex-Frau sein. Also kommt man überein, Harder macht sich an die Arbeit und eine Story nimmt ihren Lauf, die in den düsteren Fährnissen der Baubranche ihren Ausgang nimmt, ihrem natürlichen Drive durch die Berliner Halbwelt folgt und die schließlich im schillernden Kosmos der Scharlatanerie (einem perversen New-Age-Schlangenkult) ihr fulminantes Ende findet.

Fausers Schlangenmaul beweist, dass ein guter Noir nicht zwangsläufig in den USA spielen muss und dass ein Krimi mit einer Portion Zynismus, beissender Gesellschaftskritik und einem Hauch von überzwirbelter Persiflage zu einem guten Krimi wird und dass aus einem guten Krimi einen exzellenten Krimi macht, wer das alles in reportagenhaft-rotzigem Stil kredenzt – passend zum Charakter des Protagonisten, passend zu Berlin, passend vielleicht sogar zu Jörg Fauser selbst.

Fauser sprach davon, Handwerker zu sein, er sprach von Schriftstellerei als Handwerk und das ist, was man dem Buch anmerkt: Die Handlung ist wohldurchdacht und genretypisch strukturiert. Da gibt es den üblichen, sich zunächst selbst beschleunigenden Gang der Ermittlungen, der urplötzlich vor einer unsichtbaren Wand zum Stehen kommt (Alle Figuren scheinen geheimnisvoll involviert, eine Art paranoider Klimax), es gibt unverhohlene Drohungen, einen Durchbruch gefolgt von weiteren Todesfällen und endlich einen satten Tusch, der voluminös genug ist, alles zu fassen und zu einem Ende zu bringen, das die allermeisten aufgeworfenen Fragen klärt.

Aber damit ist nicht alles gesagt. Die genretypische Struktur eines beliebigen Noir-Krimis lässt noch kein Vielleserherz höher schlagen. Das so verflucht bestrickende ist, dass Fauser es mit diesem Buch geschafft hat, den Noir in die bundesrepublikanische Wirklichkeit der 1980er Jahr zu verpflanzen. Und dabei geht nichts schief, weil er dieses Experiment gleich selbst ironisiert (der hartgesottene Protagonist heisst Harder, der Polizeichef mit preußischem Habitus hört auf den Namen Smetana, einer der fiesesten Typen trägt den Namen Malzahn) und weil Fauser als journalistisch beschlagenes enfant terrible der deutschen (Krimi)literatur – der nebenbei selbst eine steile Drogenkarriere hinlegte – die Sümpfe kannte, von denen er da schrieb und ein gewisses Quentchen Authentizität hat noch keinem literarischen Werk geschadet.

Was für eine Transferleistung also! Vor den Augen des geneigten Lesers entsteht ein schnoddriger BRD-Noir, der nach Mauer-Beton, Wodka auf Eis und zahllosen Kippen riecht, der eine wilde Reise durch das Berlin der Achtziger ist und jedem wärmstens ans Herz gelegt sei, dem Süskinds Baby Schimmerlos aus der genialen Dietl-Serie Kir Royal immer schon ein bisschen zu zahnlos war. Und allen anderen sowieso.

Johannes Fischer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt