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Dem Tod davongelaufen

Autor
Maudet, Suzanne

Dem Tod davongelaufen

Untertitel
Wie neun junge Frauen dem Konzentrationslager entkamen. Aus dem Französischen von Ingrid Scherf
Beschreibung

Der Ausgang des Krieges ist längst entschieden. Die Todesmärsche haben begonnen und hinterlassen unzählige Opfer. Neun junge Frauen beschließen, sich zu wehren, indem sie fliehen und sich zurück in ihr Leben kämpfen. Ein unvergessliches Leseerlebnis, dass vom Mut und dem Willen zur Freiheit erzählt.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Assoziation A, 2021
Seiten
128
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-86241-488-8
Preis
16,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Suzanne Maudet wurde am 10. November 1922 in Argenteuil, Département Seine-et-Oise, geboren. Sie engagierte sich in der Jugendherbergsbewegung Ligue française pour les auberges de jeunesse (LFAJ). Während der deutschen Besatzung war sie in Paris in der Résistance aktiv und wurde kurz nach ihrer Heirat am 22. März 1944 zusammen mit ihrem Mann René verhaftet und im Juni 1944 nach Deutschland deportiert. Zunächst im KZ Ravensbrück inhaftiert, wurde sie schließlich in das Frauenaußenlager von Buchenwald in Leipzig-Schönefeld verschleppt, wo sie Zwangsarbeit für den Rüstungskonzern HASAG verrichten musste. Auf dem Todesmarsch nach der Evakuierung des Lagers gelang ihr im April 1945 zusammen mit acht Mitgefangenen die Flucht. Am 2. Mai 1945 kehrte sie nach Frankreich zurück. Suzanne Maudet starb im Jahr 1994.

Zum Buch:

„Wir denken nur noch ans Ausruhen und spüren selbst den Hunger nicht mehr. Das ist gut so, denn es gibt nichts mehr zu essen.“

Dieser 14. April 1945 verspricht, ein sonniger Tag zu werden. Bäume und Rapsfelder stehen in voller Blüte, der Himmel ist klar, und die Luft riecht angenehm süßlich nach dem Harz der Wälder. Man könnte annehmen, keine der rund 5000 Frauen, die an diesem Morgen von SS-Schergen über die Landstraße getrieben werden, hätte angesichts ihrer schrecklichen Lage ein Auge für derartige Nebensächlichkeiten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Nach dem Grauen der Lagerhaft, wo sie entweder von früh bis spät in den Hallen des Rüstungsbetriebs arbeiten oder die Nacht in stickigen, völlig überfüllten Unterkünften zubringen mussten, trotz des Hungers und der Schmerzen in ihren Füßen empfinden sie die frische Luft und die Farben eher als Wohltat.

Nachdem Leipzig-Schönefeld, ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, angesichts der vorrückenden US-amerikanischen Streitkräfte aufgelöst worden ist, befinden sich die Frauen bereits seit achtundzwanzig Stunden auf dem Weg nach Oschatz, Richtung Osten. Eine von ihnen ist die dreiundzwanzigjährige Französin Suzanne Maudet, die, gemeinsam mit ihrem Mann, ein Jahr zuvor in Paris verhaftet und nach Deutschland deportiert wurde, da man sie beschuldigte, für die Résistance tätig zu sein. Zaza, so ihr nome de guerre, beschließt zusammen mit neun Freundinnen, die aus Frankreich, Holland und Spanien stammen, zwischen 18 und 29 Jahre alt und ebenfalls in der Résistance aktiv gewesen sind, zu flüchten. Und zwar zum Frontverlauf in Richtung Westen, wo sie hoffen, von den Amerikanern aufgenommen zu werden. Unterwegs müssen sie hungern, sich verstecken und vor dem Beschuss herannahender Flugzeuge in Sicherheit bringen, doch wird den jungen Frauen auch immer wieder die Hilfe zahlreicher Deutscher zuteil, die ihnen Nahrung zukommen lassen und Unterkunft gewähren. Mal aus reiner Nächstenliebe, mal, weil sich die Besiegten davon einen Vorteil bei den anrückenden Amerikaner versprechen.

Obgleich sich die neun Frauen darüber im Klaren sind, was mit ihnen geschieht, sollten sie unterwegs gefasst werden, überwiegt ihr Wille zur Freiheit, zum Überleben. Erst Jahre später sollten sie herausfinden, dass keine der Frauen, die in der Kolonne geblieben waren, den Todesmarsch überlebt hatte.

Suzanne Maudet verfasste ihre Erinnerungen, deren erster Titelentwurf Ohne Hass, aber kein Vergessen lautete, 1946, direkt nach ihrer Rückkehr nach Frankreich. Zunächst nur im Familien- und Bekanntenkreis herumgereicht, lehnte 1961 eine bekannte Frauenzeitschrift den Abdruck des Manuskriptes ab, und erst 2004 wurde es dann in Paris veröffentlicht. Die Unerschrockenheit, die sich im Text offenbart, der Mut und der feste Wille, ins Leben zurückzukehren, lassen Leserinnen und Leser angesichts des tagtäglichen Grauens, das Suzanne Maudet erfahren haben muss, vor Respekt und Bewunderung erblassen. Wie gelingt es einer jungen Frau in Zeiten des Aufbruchs, nachdem ihre Welt in Schutt und Asche gelegt wurde, sie zahlreiche Verlust zu erleiden hatte, Feinden und Peinigern ins Gesicht zu lachen? Wie schafft sie es, nicht anzuprangern, dem Hass ihrer Häscher eher noch die Unverletzlichkeit ihrer Jugend entgegenzuhalten und sogar mit Humor zu begegnen? Es ist dem Verlag Assoziation A zu verdanken, dass Geschichten wie diese dem Vergessen entrissen und öffentlich gemacht werden, und für diese verdienstvolle Arbeit kann man sich als interessierter Leser nur bedanken, was ich hiermit tun möchte.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln