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Store Kongensgade 23

Autor
Thomsen, Søren Ulrik

Store Kongensgade 23

Untertitel
Ein Essay. Aus dem Dänischen von Hannes Langendörfer
Beschreibung

Søren Ulrik Thomsen ist einer der populärsten dänischen Lyriker und Essayisten. Hierzulande ist er weitgehend unbekannt; bisher sind auf Deutsch nur drei seiner Lyrikbände (im Verlag Kleinheinrich) erschienen. Jetzt hat der Suhrkamp Verlag Store Kongensgade 23 herausgebracht, einen Essay, an dessen Beginn die Frage steht: „Gibt es das eine Jahr oder den einen Ort im Leben eines Menschen, der sich im Laufe des Lebens als der wichtigste erweist?“ Für den Autor ist es das Jahr, das er zusammen mit seiner Familie nach ihrem Umzug aus der Provinz nach Kopenhagen erlebt. Der Sechzehnjährige erinnert sich an die rauschhafte Erfahrung einer neuen Freiheit und an die kurz danach bei der Mutter ausbrechende Depression, die sie für sieben Jahre immer wieder in die Psychiatrie bringt. In Store Kongensgade 23 streifen die Gedanken des Autors durch sein bisheriges Leben, und er fragt sich, wie der Ort, an dem er nur ein Jahr gewohnt hat, sein Leben so tiefgehend prägen konnte.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2023
Seiten
126
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-518-22552-3
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Søren Ulrik Thomsen, geboren 1956, ist dänischer Lyriker und Essayist. 1981 erschien sein erster Gedichtband City Slang. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker Dänemarks, ist Stipendiat des staatlichen Kunstfonds auf Lebenszeit und seit 1995 Mitglied der dänischen Akademie der Künste. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet und honoriert, u. a. mit dem Søren-Gyldendal-Preis 2015.

Zum Buch:

„Gibt es das eine Jahr oder den einen Ort im Leben eines Menschen, der sich im Laufe des Lebens als der wichtigste erweist?“ Für Søren Ulrik Thomsen, einen der populärsten dänischen Lyriker und Essayisten, ist es ist die Store Kongensgade 23, die Wohnung, in die seine Familie aus der Provinz nach Kopenhagen umzog. Für ein Jahr wohnt der Sechzehnjährige dort zusammen mit seiner Familie und hatte zum ersten mal das „rauschhafte Gefühl, dass jetzt die Zukunft beginnt …“. Kurz danach wurde die Mutter depressiv und kam in die Psychiatrie. In den nächsten sieben Jahren wechselten sich kurze Episoden der „Gesundung“ mit erneuten Aufenthalten in unterschiedlichen Kliniken ab. Ausgehend von dieser doppelten Erfahrung denkt der Autor über sein Leben nach und fragt, wie ein Ort, an dem er nur ein Jahr gewohnt hat, sein Leben so tiefgehend prägen konnte.

Thomsens Gedanken streifen durch sein Leben; er schreibt über Jugend und Alter, über Krankheit und Tod, über Liebe und Freundschaft. Immer wieder umkreisen seine Gedanken ein Zentrum: die Jahre der Mutter in psychiatrischer Behandlung, die 35 Elektroschock-Behandlungen, mit denen sie traktiert wurde, die Berge an Psychopharmaka, die sie schlucken musste, und das Unverständnis und Desinteresse der Ärzte daran, wer sie als Mensch war und was sie zu erzählen gehabt hätte. Er prangert die Verkennung der Medizin an, Psychopharmaka für Heilmittel zu halten und nicht nur für Mittel, die störende Symptome unterdrücken. Denn gesund geworden ist die Mutter letztlich durch einen Arzt, der sie reden ließ und ihr zuhörte – SIE sah. In den weiteren zweiundvierzig Jahren ihres Lebens ist sie nie wieder psychisch erkrankt.

Es ist nicht leicht, ein Buch mit Nachdruck zu empfehlen, das so unprätentiös daherkommt und das über die Dramen im Leben – die depressive Mutter, Jahre mit Angstzuständen, das beginnende Alter mit seinen realen und befürchteten Begleiterscheinungen – keine großen Worte macht, weil sie so normal sind und doch einzigartig für den, den sie treffen. Von dem Text geht eine große Ruhe aus. Thomsen erzählt mit einer wunderbar prägnanten, mal lakonischen, mal humorvollen Sprache. Der Autor sagt von sich, der Herbst sei seine liebste Jahreszeit – was wohl daran liegt, dass er, trotz seiner Ängste und Zweifel, die ihn lebenslang begleiten, jeden Morgen voller Freude auf den kommenden Tag aufwacht. Etwas von dieser Haltung strahlt das ganze Buch aus.

Ruth Roebke, Frankfurt a. M.