Zum Buch:
Der Sonne und dem Tod kann man nicht ins Gesicht blicken. Diesem Auspruch von La Rochefoucault hat Irving D. Yalom, der russisch-jüdisch-amerikanische Psychoanalytiker, hier sicherlich bekannter durch Romane wie Und Nietzsche weinte, den Titel zu seinem Buch entlehnt. Wie man die Angst vor dem Tod überwindet, verspricht der Untertitel.
Wer hier nicht gleich das Buch mit Grausen weglegt, weil er mit diesem Thema doch lieber nichts zu tun haben will, der findet eine Annäherung an das Thema Tod, die erhellend und klug ist, die sich mehr auf die griechische Philosophie als auf Freud oder die Religionen bezieht und erstaunlich locker zu lesen ist. Wer kennt sie nicht, die Empfindungen beim Gedanken an den Tod auch wenn das eigene oder das Ende naher Personen im Moment nicht unmittelbar bevorstehen: leises Unbehagen, Abwehr oder gar Angst und Panik? Wir Menschen sind die einzigen Wesen, die sich ihrer Endlichkeit bewusst sind. Dieses Wissen kann zu einer klareren, selbstbestimmteren Lebensweise führen, zumeist jedoch verdrängen wir diese Tatsache, weil wir nicht mir ihr umzugehen wissen. Irving D. Yalom hat sich mit dem Tod in seiner jahrzehntelangen psychoanalytischen Praxis beschäftigt und aus dieser Beschäftigung ist seine Therapieform er nennt sie existenzielle Therapie erwachsen. Seine Patienten, anhand deren Fallgeschichten er seine Methode erklärt, sind Menschen, bei denen sich Todesfurcht zu einem ernsthaften Problem ausgewachsen hat, das alles andere in den Hintergrund drängt oder sich hinter völlig anderen bedrängenden Problemen versteckt hat. Gleichzeitig arbeitet er aber auch mit unheilbar Kranken, für die der Tod eine Realität geworden ist. Yaloms therapeutischer Weg ist es, neben der üblichen biografischen Tiefenarbeit seinen Patienten Sichtweisen und Denkmuster zu eröffnen, anhand derer der Tod seinen Schrecken verlieren kann. Seine Hilfsmittel sind die Philosophen. Das reicht von Epikur bis Heidegger. Yaloms Argumentation ist herzerfrischend rational und atheistisch. Da er nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, hält er es mit der Einsicht: Wo ich bin (lebend), kann der Tod nicht sein, und wo er ist, bin ich nicht mehr. Wovor also sollte ich Angst haben? Anhand von Nieztsches Wiederkehr des ewig Gleichen stellt er die Frage, ob das jetzige Leben so gelebt wird, dass man es wiederholen möchte. Und wenn nicht, was müsste daran verbessert werden? Damit ist er beim Kern angelangt. Gleich, ob es sich um Menschen handelt, die den Tod real vor Augen haben, oder um solche, denen die Furcht davor das Leben trübt, entscheidend ist die Erkenntnis: Todesfurcht ist zumeist die Angst vor nicht gelebtem Leben. Er plädiert für Empathie. Einer Frau, die ihre Haare durch die Chemotherapie verloren hat über den Kopf zu streichen (ihr Einverständnis vorausgesetzt) oder jemandem zu signalisieren: ich bin bei dir, ich weiche nicht aus. Die reine Anwesenheit ist das größte Geschenk, das man jemandem machen kann, der dem Tod gegenübersteht (oder einer körperlich gesunden Person in Todespanik). Dies ist nur ein kleiner Anteil dessen, wovon Yalom schreibt. Natürlich hat das Buch etwas von einem amerikanischen Ratgeber (Eve, eine vierzigjährige Immobilienmaklerin, kam in meine Sprechstunde ..) und leider ist es ziemlich schlampig übersetzt. Trotzdem ist In die Sonne schauen ein Text, den man mit Vergnügen und Gewinn lesen kann, selbst wenn das Thema einen nicht akut bedrängt. Ruth Roebke, Autorenbuchhandlung Marx & Co., Frankfurt