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Autor
Perec, Georges

Denken/Ordnen

Untertitel
Aus dem Französischen von Eugen Helmlé
Beschreibung

Als „Ethnologe des Alltäglichen“ wird Georges Perec oft bezeichnet, man könnte ergänzen „Ethnologe des Unscheinbaren, aber trotzdem Wichtigen“. Perec ist bekannt für seine aleatorischen Experimente wie „Das Leben Gebrauchsanweisung“ oder seinen Roman ohne den Buchstaben „E“ („La Disparition“, auf Deutsch erschienen in der Übersetzung von Eugen Helmlé als „Anton Voyls Fortgang“). Wie es Perec gelingt, die Verspieltheit der Werke in den Dienst einer sonderbaren und berührenden Tiefe zu stellen, erstaunt immer wieder.

In „Denken / Ordnen“ sind Aufsätze Perecs versammelt, die sich den alltäglichen Dingen widmen. Der Diaphanes-Verlag hat nun Eugen Helmlés Übersetzung der Essaysammlung, die zuerst 1996 erschienen ist, neu aufgelegt.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Diaphanes Verlag, 2014
Format
Kartoniert
Seiten
176 Seiten
ISBN/EAN
9783037347409
Preis
12,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Georges Perec, 1936 in Paris geboren, wuchs als Kriegswaise bei Verwandten auf. Die experimentelle Literaten- und Mathematikergruppe “OuLiPo” gewann in ihm eines ihrer innovativsten Mitglieder. Ab 1965 mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet, arbeitete Perec als Schriftsteller und Filmemacher. Er starb 1982 in Ivry-sur-Seine.

Zum Buch:

Als „Ethnologe des Alltäglichen“ wird Georges Perec oft bezeichnet, man könnte ergänzen „Ethnologe des Unscheinbaren, aber trotzdem Wichtigen“. Perec ist bekannt für seine aleatorischen Experimente wie „Das Leben Gebrauchsanweisung“ oder seinen Roman ohne den Buchstaben „E“ („La Disparition“, auf Deutsch erschienen in der Übersetzung von Eugen Helmlé als „Anton Voyls Fortgang“). Wie es Perec gelingt, die Verspieltheit der Werke in den Dienst einer sonderbaren und berührenden Tiefe zu stellen, erstaunt immer wieder.

In „Denken / Ordnen“ sind Aufsätze Perecs versammelt, die sich den alltäglichen Dingen widmen. Der Diaphanes-Verlag hat nun Eugen Helmlés Übersetzung der Essaysammlung, die zuerst 1996 erschienen ist, neu aufgelegt.

Trotz des scheinbar trockenen Themas ist die Lektüre ziemlich vergnüglich. Irgendwann stellt sich beim Leser der Eindruck ein, dass Klassifizieren eigentlich schon Dichten ist – besonders dann, wenn Perec die versteckten subjektiven Ordnungsmuster des Bewusstseins ans Licht holt. Ständig kommen sie zur Anwendung, aber nur selten begegnet einem jemand, der so hartnäckig wie Perec darüber nachdenkt, welch komplexe Mischung von Zufall, Emotion und Systematik Einfluss darauf nimmt, wie wir beispielsweise ein neu erworbenes Buch in unser Regal einsortieren.

In „Anmerkungen hinsichtlich der Gegenstände, die auf meinem Schreibtisch liegen“ unternimmt Perec den Versuch, ein vollständiges Inventar ohne „etc.“ aufzustellen. Entstanden ist eine Liebeserklärung an die Dinge, die ihm wichtig sind. „Drei wiedergefundene Zimmer“ liest sich wie eine fragmentarisierte Autobiografie, entlang der Beschreibung dreier Zimmer, die er an bestimmten Momenten seines Lebens bewohnte. Man erhält einen Eindruck davon, was „wohnen“ für Perec bedeutet. In „Ich erinnere mich an Malet & Isaac“ zieht eine ganze Schulzeit an uns vorbei – in Form einer Liste mit zentralen Begriffen aus dem Geschichtsbuch des Autors; in „Orte einer List“ wiederum versucht Perec, die Erfahrungen in seiner Psychoanalyse zu beschreiben.

Neben diesen Aufzählungen alltäglicher Details in Großaufnahme enthält der Band auch wichtige poetische Aussagen. In „Anmerkungen über das, was ich suche“ beschreibt Perec sein Werk, seine Ziele und sein Vergnügen, bei jedem Text ein neues Spiel, ein neues System auszuprobieren. Herrlich abstrus wird es, wenn in „81 Kochkarten für Anfänger“ unzählige Male Kaninchen mit Senf bestrichen und Kalbbries angerichtet werden soll, wobei die Kombination der Zutaten einem strengen taxonomischen System folgen. „Betrachtungen über die Brillen“ kann wie ein Schüleraufsatz zu einem vorgegeben Thema gelesen werden.

Häufig werden die intersubjektiven Strukturen thematisiert, auf die wir uns geeinigt haben, wenn wir mit Kategorien arbeiten, damit wir wissen, worüber wir sprechen. Interessanter sind jedoch die geheimen Regeln des Denkens, auf die Perec unsere Aufmerksamkeit lenkt, Regeln, die aus dem individuellen Bewusstsein ein Universum machen. Georges Perec hatte die großartige Gabe, diese wichtigen, aber doch so vernachlässigten Muster zu erkennen und zu beschreiben.

Alena Heinritz, Mainz