Aktuelle Empfehlungen

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Autor
Brand, Ulrich; Wissen, Markus

Kapitalismus am Limit

Untertitel
Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven
Beschreibung

Die Wörter „Klima“, „Krise“ und „Erderwärmung“ sind zu Gemeinplätzen und Schlagwörtern geworden, die längst in aller Munde sind. Was sie bedeuten und wie Krise und Klima im geläufigen Kompositum „Klimakrise“ zusammenhängen, weiß fast niemand. In ihrem Buch klären die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen diese Zusammenhänge präzise, umfassend und kompetent auf. Bekannt geworden sind die beiden Autoren durch ihren Bestseller von 2017 Imperiale Lebensweise (Oekom Verlag, München). Thematisch schließt das neue Buch daran an, vertieft und erweitert jedoch die Analyse.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
oekom verlag, 2024
Format
Broschur
Seiten
320 Seiten
ISBN/EAN
978-3-98726-065-0
Preis
24,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik an der Universität Wien und hat jüngst mit dem Buch »Die Imperiale Lebensweise« (gemeinsam mit Markus Wissen) die SPIEGEL-Bestsellerliste erobert.

Markus Wissen lehrt als Professor für Gesellschaftswissenschaften an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und beschäftigt sich in seiner Forschung mit dem Zusammenhang von Globalisierung und Krisen, Umwelt-, Klima- und Ressourcenpolitik sowie verschiedenen Aspekten gesellschaftlicher Transformationen.

Zum Buch:

Die Wörter „Klima“, „Krise“ und „Erderwärmung“ sind zu Gemeinplätzen und Schlagwörtern geworden, die längst in aller Munde sind.

Was sie bedeuten und wie Krise und Klima im geläufigen Kompositum „Klimakrise“ zusammenhängen, weiß fast niemand. In ihrem Buch klären die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen diese Zusammenhänge präzise, umfassend und kompetent auf. Brand lehrt und forscht an der Universität Wien, Wissen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Bekannt geworden sind die beiden Autoren durch ihren Bestseller von 2017 Imperiale Lebensweise (Oekom Verlag, München). Thematisch schließt das neue Buch daran an, vertieft und erweitert jedoch die Analyse. Das betrifft die Methoden der Krisenbearbeitung und die dafür vorgeschlagenen Mittel von der ökologischen Modernisierung über die „Dekarbonisierung“ bis zur wolfeilen Parole vom „grünen Kapitalismus“. Die Autoren belegen akribisch und mit guten Argumenten, dass solche Mittel und Methoden völlig unzureichend sind, um an die wirklichen Ursachen der Klimakrise heranzukommen, und folglich in purer Symptombekämpfung versanden oder versumpfen. Denn wenn es nicht gelingt, die Wachstums- und Profitlogik, auf der die kapitalistische Produktion bei Strafe ihres Endes beruht, auszubremsen bzw. zu überwinden, sind alle Rezepte gegen die Klimakrise vergeblich. Der Titel des Buches ist wörtlich zu verstehen: Das Kapital ist genuin angelegt auf grenzenlose Expansion. Aber die Welt ist definitiv begrenzt. Der Kapitalismus lebte immer auch davon, dass er die Kosten seiner Entfaltung zu externalisieren vermochte. Der Raum für diese Kostenverlagerung lag in Gegenden, die man früher Dritte Welt nannte und heute eher den „globalen Süden“ nennt. Diese Räume haben sich verengt und sind zwischen Konkurrenten im Norden umstritten, was zu öko-imperialen Spannungen führt. Die Kostenvorteile der Verlagerung, die wegen der Asymmetrien beim Lohn sowie bei Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Umweltstandards entstehen, gingen schnell verloren. Obendrein ist z.B. der Wettlauf um Vorkommen und Abbau seltener Erden und Metalle, die für die Produktion von Batterien für E-Autos benötigt werden, oder um Orte für die Erzeugung von Strom für die hochkomplexe Produktion von Wasserstoff als Ersatz für klimaschädliches Öl und Kohle als Energieträger teurer und risikoreicher geworden als zu den Zeiten klassischer imperialer Expansion.

Mit Nachdruck verweisen die Autoren auf den Zusammenhang von
zerstörerischen Natur- und gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen unter den kapitalistischen Bedingungen und den diesen eignenden Zwängen zu Wettbewerb, Wachstum und Expansion, wobei sie sich auf Debatten in feministischen, marxistischen, kolonialismuskritischen und anderen Diskursen und Theorien beziehen.

Da „Wachstum die heilige Kuh des Kapitalismus ist, wächst der Rohstoffbedarf ungeachtet der Energiesparversuche und der ökologischen Folgen der enormen Ressourcenvernichtung im globalen Ausmaß. Der Kampf um eine „neue Weltordnung ist eine gigantische Materialschlacht“ (Diana Vela Almeida) um Rohstoffe, wobei „die Kosten in den Ländern des Südens verbleiben, während die Profite in jene im Norden wandern“ (Brand/Wissen).

Die Energiewende verschärfte allein im Sektor der globalen E-Autoproduktion die Konkurrenz der Autokonzerne um Rohstoffe, denn die Herstellung schwerer Batterien benötigt Aluminium, Nickel, Kupfer, Lithium und das relativ seltene Kobalt. Der Übergang zur Produktion von SUVs intensivierte die öko-imperiale Konkurrenz zwischen amerikanischen und europäischen Konzernen auf der einen und chinesischen auf der anderen Seite.

In den beiden letzten Kapiteln des Buches analysieren die Autoren die Strategien der Krisenbekämpfung in kapitalistischen Ländern, die sich bislang auf Projekte zur ökologischen Modernisierung beschränken. Die damit verbundene Gefahr des Abgleitens liberal-demokratischer Regime in autoritäre bleibt. Das letzte Kapitel handelt von den leider nicht sehr rosigen Aussichten einer solidarischen Perspektive zur Überwindung der Klimakrise in den Demokratien des Nordens.

Rudolf Walther, Frankfurt a.M.