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Zehn Regeln für Demokratie-Retter

Autor
Wiebicke, Jürgen

Zehn Regeln für Demokratie-Retter

Beschreibung

Zu lange, so scheint es, haben wir uns im Privaten eingerichtet, das Feld ‚den’ Politikern oder schlicht den anderen überlassen und aus dem Wissen von Unzulänglichkeiten unserer Zusammenlebens die Gewissheit gezogen, es reiche schon, gegen die Gesellschaft zu sein, anstatt sie zu gestalten. Das sollte sich ändern: Jürgen Wiebicke zeigt mit Zehn Regeln für Demokratieretter wie man das ändern kann.
(ausführliche Besprechung)

Verlag
Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2017
Seiten
112
Format
Taschenbuch
ISBN/EAN
978-3-462-05071-4
Preis
5,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Jürgen Wiebicke, geboren 1962, studierte in Köln Philosophie und Germanistik. Im Anschluss daran volontierte er beim Sender Freies Berlin und war dort Redaktionsleiter. Seit 1997 arbeitet er als freier Journalist, vor allem für den Hörfunk. Bei WDR 5 moderiert er jeden Freitagabend “Das philosophische Radio”, die einzige interaktive Philosophie-Sendung im deutschsprachigen Hörfunk. 2012 gewann er den Medienethik-Preis META der Hochschule für Medien Stuttgart. Er schreibt regelmäßig für das seit Ende 2011 erscheinende Philosophie Magazin und gehört zu den Programm-Machern des internationalen Philosophie-Festivals “phil.Cologne”.

Zum Buch:

Eine weitere der vielen Streitschriften, die dieses Frühjahr erschienen sind, ist Jürgen Wiebickes Zehn Regeln für Demokratieretter, zehn Regeln, die auf eine Postkarte passen und praktische Anleitung geben, wie wir unsere zu selbstverständlich gewordene Demokratie verteidigen sollen. Dabei macht Wiebicke einerseits auf die Errungenschaften der demokratischen Gesellschaft aufmerksam, andererseits ruft er dazu auf, für diese ganz praktisch und im Alltag einzutreten. Von dumpfer Verteidigung des Status quo kann wie schon bei Guérot (siehe vorherige Rezension) so auch bei Wiebicke nicht die Rede sein, vielmehr steht die Kultivierung, der Aufruf zu einem Wiedererstarken einer kritischen Öffentlichkeit im Zentrum. Zu lange, so scheint es, habe man sich eingerichtet im Privaten, das Feld ‚den’ Politikern oder schlicht den anderen überlassen und aus dem Wissen von Unzulänglichkeiten unserer Zusammenlebens die Gewissheit gezogen, es reiche schon, gegen die Gesellschaft zu sein, anstatt sie zu gestalten.

Beinahe im selben Atemzug ruft Wiebicke allen Zögerern, Nörglern, allen Schüchternen und Grüblern Regel Nr. 8 zu: „Warte nicht auf den großen Wurf“, was sich mit Regel Nr. 1 paart und uns endgültig von den Sofas reißen soll: „Liebe deine Stadt“. Unausgesprochen lässt Wiebicke zwar die Tatsache, dass das Engagement für das Gemeinwesen etwa in der Jugendarbeit in vielen Städten und Gemeinden von den Bürgern jenen überlassen wird, die damit zugleich rechtes Gedankengut verbreiten, aber es ist ganz offensichtlich, dass wir aus unserer Lethargie gerissen werden sollen und zurecht angeklagt werden, wenn wir diese bürgerlichen Pflichten nicht ernst nehmen.

Da Wiebicke aus eigener Erfahrung spricht und von seinem persönlichen Engagement berichtet, überzeugen seine Leitsätze. Sie wirken nicht fromm und idealistisch, sondern aufgeklärt und realistisch. Er, der sich seit 2015 in einem Flüchtlingsprojekt engagiert, verlangt sowohl den Kontakt zu Menschen, die anderer Meinung sind, nicht zu verlieren als auch nicht jene Probleme, die bei der Integration anderer Kulturen und Religionen entstehen, aus Panik davor, in die falsche Ecke geschoben zu werden, zu verschweigen.

Als sich die Hinweise verdichteten, dass auch Flüchtlinge ‚seiner’ Initiative an den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln 2015 verwickelt waren, ging sie damit offen um und wurde prompt kritisiert. Wiebicke tritt zurecht entschieden dafür ein, Konflikte zu benennen und daran die eigenen Werte zu schärfen:. „Wer Probleme verschweigt, öffnet den Raum für rechte Sprachspiele.“

Jürgen Wiebickes Streitschrift wie auch jene von Ulrike Guérot zeigt ihren Lesern das unvollendete Projekt Europa und macht zugleich deutlich, dass es ein demokratisches Europa ohne den engagierten Bürger nicht gibt.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt