Zum Buch:
Leni und Thomas leben eine unkonventionelle, offene Beziehung in getrennten Wohnungen. Der persönliche Freiraum ist für die beiden Individualisten gerade im Alter zu einer Notwendigkeit geworden. Via Mobiltelefon sind sie in ständigem Kontakt. Täglich besucht Leni den älteren, zur Vergesslichkeit neigenden Thomas, hilft ihm in Alltagsdingen, umsorgt ihn. Ihre Zweisamkeit kommt dabei nicht zu kurz. Beide sind im Osten Deutschlands aufgewachsen und bis heute am gleichen Ort geblieben. Sie haben viel erlebt, den Krieg, den Neuanfang, den Mauerbau und schließlich die Wiedervereinigung. Zahlreiche gemeinsame Erlebnisse, Erinnerungen verbinden die beiden, sind Grundlage ihrer Vertrautheit und Zuneigung. So könnte das Leben ruhig weitergehen, wären da nicht Thomas emotionale Altlasten.
Gedanken an Mela, seine große Liebe aus Studententagen, kommen immer wieder an die Oberfläche. Verstärkt, als er den Keller aufräumt und sich die gesammelten Erinnerungsstücke nach vielen Jahren endlich wieder ansieht. Beim Kirschenstehlen hatte er seine damalige Kommilitonin erwischt und kennengelernt. Die kurze, intensiv gelebte Liebe endet, als Mela mit Ehemann und Sohn in den Westen flieht. Endlich ist Thomas auch bereit, einen Blick in seine Stasi-Akten zu wagen. Dort findet er ihre gleich nach der Flucht an ihn adressierten und beschlagnahmten Briefe. Der Hinweis auf die Geburt einer Tochter bringt ihn ins Grübeln. Könnte es seine Tochter sein? Sollte er sich auf die Suche nach Mela und der Wahrheit machen?
Eine Einladung nach Rom in eine Künstlervilla verändert alles, stellt sein Leben auf den Kopf. Ausgerechnet dort trifft er Mela wieder. Als wäre die Zeit stehen geblieben, erwischt er sie auch hier beim Stehlen und Verzehren einer Orange. Die beiden sind die einzigen Senioren, alle anderen aufstrebende junge Künstler. Mela und Thomas haben schnell wieder ihre eigene, verloren geglaubte Welt wiedergefunden. Wie wird es diesmal enden?
Helga Schütz hat ein Buch geschrieben, das Ruhe ausstrahlt. Mit kargen Sätzen zaubert sie eine Poesie, die tief berührt. Im Rückblick beschreibt sie die Auswirkungen der sozialistischen Ära auf den Einzelnen: Alltagsleben, zerstörte Hoffnungen, Wünsche, geänderte Lebensentwürfe. Im Blick voraus zeigt sie, dass Liebe im Alter eine andere Schönheit besitzen kann. Das Buch ist eine gelungene Hommage an die Weisheit des Alters.
Brigitte Hort, Eitorf