Zum Buch:
Mit nur wenigen Sätzen hat Kote Jandieri seine Leser in das Café eines kleinen Dorfes in Ostgeorgien entführt, zu Bier und Wein und dem besten Kaffee weit und breit – „nach einem echt armenischen Kaffeerezept.“ Das Café ist der Schauplatz eines Interviews zwischen dem Radiosender FM und einem Bauern, dabei sind nur die Antworten des sehr charmant erzählenden Bauern zu „hören“. Antworten, die über seine Kindheit und sein über 80 Jahre währendes Leben in Ostgeorgien berichten – und so erhalten wir ganz nebenbei einen Crashkurs in georgischer Geschichte.
Er beginnt mit dem Aufstand gegen die sowjetische Besetzung in Kachetien1924 und führt bis in die heutige Zeit der Globalisierung, die auch vor einem kleinen Dorf in Ostgeorgien nicht Halt macht. Die vier Jahre ältere Schwester des Bauern, Anitschka, 1924 erst acht Jahre alt, bringt den Aufständischen regelmäßig Proviant, bis sie eines Tages von der Miliz gestellt wird. Sie ganz alleine im Wald, die anderen zu zehnt, hoch zu Ross, vorneweg der Milizchef, ein Einäugiger. „Ein zwei Meter großes …. Ungetüm. Schon seine Erscheinung jagte der hiesigen Bevölkerung Schrecken ein.“
Kote Jandieri schildert in seiner knapp 100-seitigen Kurzgeschichte das Grauen der sowjetischen Diktatur – hingerichtet wird nicht nur der Dorflehrer, Folter und Mord zerstören auch die Familie des Bauern –, aber dies ist nur ein Teil der Geschichte. Für den anderen Teil gibt es tatsächlich keinen besseren Ort als ein Café. Wo, wenn nicht hier, sollte man über Essen und Trinken sinnieren. „Gut gedünstetes Fleisch ohne Knochen, zu dem etwas Knoblauch, Lorbeerblätter und Pfefferkörner gegeben werden“, sorgfältig in Gläser verschraubt, das dem Vater in die Verbannung geschickt wird. Und noch in den 30ern gab es hier, in diesem kleinen Dorf, den besten Büffelmilchkäse. Heute liegen in der Vitrine des Supermarkts statt dessen „Käsesorten aus aller Welt“, aus der Schweiz, aus Holland, Deutschland und Frankreich, nur den heimischen Käse, den gibt es nicht mehr. Eröffnet hat den Supermarkt die Tochter Anitschkas, die auch Besitzerin des Cafés ist, in dem wir dem Interview lauschen und in dem wir einfachen türkischen Kaffee „mit dickem Schaum“ bestellen können oder Kaffee „nach Sultans Art, mit wässriger Milch verdünnt“ oder „mit Zimt im großen Kaffeetopf.“
Kote Jandieri ist selbst Winzer, das Interesse am Kulinarischen liegt also auf der Hand. Zusammen mit dem leichten Erzählton des scheinbar einfältigen Bauern gelingt ihm ein historisches Schelmenstück und eine feine, kleine Einführung in georgische Literatur.
Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt