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Autor
Feldman, Deborah

Überbitten

Untertitel
Aus dem Amerikanischen von Christian Ruzicska
Beschreibung

„Bin ich hundertprozentig jüdisch?“, fragt die Achtjährige ihre Großmutter, von der sie nach den Vorgaben der ultraorthodoxen Gemeinschaft der Satmarer Juden erzogen wird. Und mit 14 Jahren erstellt das Mädchen einen Stammbaum, der die Reinheit ihrer Abstammung belegen soll. Es bleibt nur ein kleiner blinder Fleck auf der Seite der eigenen Mutter, einer Yekke, die mit den Eltern zur Zeit des Dritten Reiches aus Deutschland nach Amerika geflohen ist. Und dieser kleine blinde Fleck wird in dem Leben, für das sich die junge Frau nach Heirat und Geburt ihres Sohnes entscheiden wird, einem Leben jenseits der chassidischen Gemeinschaft, eine wichtige Rolle spielen.

Eine Geschichte für jeden, der gerne den Mut aufbringen würde, sich auf die Suche nach der eigenen, relativen Wahrheit zu machen, der die blinden Flecken in der eigenen Vergangenheit aufzuspüren und anzuschauen bereit ist.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Secession Verlag für Literatur, 2017
Format
Gebunden
Seiten
704 Seiten
ISBN/EAN
978-3-906910-00-0
Preis
28,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Deborah Feldman wuchs in der chassidischen Satmar-Gemeinde in Williamsburg, New York, auf. Ihre Muttersprache ist Jiddisch. Sie studierte am Sarah Lawrence College Literatur. Ihre autobiographische Erzählung »Unorthodox« erschien 2012 bei Simon & Schuster und war auf Anhieb ein spektakulärer New York Times-Bestseller mit einer Millionenauflage. 2014 folgte ebenso Aufsehen erregend »Exodus« bei Pinguin. Heute lebt die Autorin als Schriftstellerin mit ihrem Sohn in Berlin.

Zum Buch:

„Bin ich hundertprozentig jüdisch?“, fragt die Achtjährige ihre Großmutter, von der sie nach den Vorgaben der ultraorthodoxen Gemeinschaft der Satmarer Juden erzogen wird. Und mit 14 Jahren erstellt das Mädchen einen Stammbaum, der die Reinheit ihrer Abstammung belegen soll. Es bleibt nur ein kleiner blinder Fleck auf der Seite der eigenen Mutter, einer Yekke, die mit den Eltern zur Zeit des Dritten Reiches aus Deutschland nach Amerika geflohen ist. Und dieser kleine blinde Fleck wird in dem Leben, für das sich die junge Frau nach Heirat und Geburt ihres Sohnes entscheiden wird, einem Leben jenseits der chassidischen Gemeinschaft, eine wichtige Rolle spielen.

Im Haus ihrer Großmutter ist sie Sarah gerufen worden, obwohl Deborah als rechtsgültiger Name in ihre Dokumente eingetragen war. Mit dem für sie neuen Namen Deborah tritt die junge Frau, 23 Jahre alt, an der Hand ihren kleinen Sohn, in ein neues Leben ein. Sieben Jahre lang werden Sarah, erzogen in der Tröstlichkeit einer vorgegebenen Wahrheit, und Deborah, auf der Suche nach ihrer persönlichen Wahrheit, miteinander in Konflikt geraten. Überbitten hat die Autorin deshalb die Fortsetzung ihres Bestsellers Unorthodox genannt, in der sie jetzt diese sieben Jahre nach dem Austritt aus der chassidischen Gemeinschaft erzählt. Überbitten, jiddisch iberbetn, meint gegenseitige Versöhnung, in Deborah Feldmans Fall das Verweben der alten Fäden ihrer Vergangenheit mit den neuen ihrer Zukunft in einer immer in Frage gestellten Gegenwart. Denn auf den Reisen durch Ungarn, Schweden, Österreich und Deutschland ist das Bewusstsein, jüdisch zu sein, der eigenen Religion wegen verfolgt, ausgelöscht worden zu sein, immer wach. Als Deborah Feldman sich dennoch entschließt, mit ihrem Sohn in Berlin zu leben, wird sie in einem Freibad mit einem Mann konfrontiert, der sich den Eingang zum KZ Auschwitz als Dokumentation seiner positiven Einstellung zum Genozid auf den Rücken hat tätowieren lassen.

Die Eingangsfrage bleibt: Kann ein Mensch irgendetwas hundertprozentig sein? Und wenn er es nicht ist, woher nimmt er den Mut, Teile seines alten Lebens in Frage zu stellen? Wie kann das gelingen, ohne die eigene Vergangenheit auszulöschen? Eine spannende, authentische und sehr kluge autobiographische Geschichte, an deren Ende eine mit sich selbst und ihrer Vergangenheit versöhnte Deborah Feldman auf einem von ihr selbst gewebten Lebensteppich steht. Eine Geschichte für jeden, der gerne den Mut aufbringen würde, sich auf die Suche nach der eigenen, relativen Wahrheit zu machen, der die blinden Flecken in der eigenen Vergangenheit aufzuspüren und anzuschauen bereit ist.

Susanne Rikl, München